Man ging zwei oder drei, natursteinerne Treppen hoch und befand sich im „Vorraum“. Links ging es in das Lokal, auf der rechten Seite zwei Flipper. Rücken an Rücken. Rechts dahinter ging’s Treppen hoch. Da wohnten wohl Menschen. Oh ja, und was für welche! Linkshaltend ein Kicker und der Zugang zum Keller, welcher der Aufbewahrung der trinkbaren Flüssigkeiten diente. Scharf links die Treppen hoch, die Toiletten. Wobei der Begriff Toiletten dem Gegebenen nicht ganz stand hielt. Egal.
Der Gastraum. Immer, wirklich immer durch den Rauch von zig Zigaretten vernebelt. Hier rauchte wirklich jede bzw. jeder. Grundsätzlich nenne ich bei meinen Artikeln keine Namen. Hier muss ich jedoch eine Ausnahme machen. Gehe davon aus, dass ich dadurch keine rechtlichen Schwierigkeiten bekommen werde, da davon auszugehen ist, dass namentlich Erwähnte mittlerweile tot sind.
Wir fangen beim Wirt an. Horst, so sein Name, war ein guter Gastgeber. Nein! Wirklich! Stets dem Anliegen seiner Gäste bemüht, brachte er durch seine Ruhe und Besonnenheit Einklang in die Runde. Irgendwann starb Horst und sein Sohn übernahm. Horst war Nichtraucher, besoffen rauchte er und verlor die Kontrolle.
Das Traumpaar in der Kneipe waren die 5-Mark-Hilde und ihr Freund (Mann?) Flamingo, Spitzname Flaumi. 5-Mark-Hilde, der Name war wohl Programm. Ich, in meinen jungen Jahren, konnte das nie nachvollziehen, aber es gab wohl Sympathien. Hilde trug stets, nein Immer, ein ausgewaschenes grünes Kleid, welches die Oberschenkel ihrer Beine zur Hälfte bedeckten. Ob dann blickdichte Strümpfe oder die eigentlichen Beine folgten, war nicht definierbar. Mich schauert es! Stets zu ihrer Seite war genannter Flaumi. Flaumi, war so meine damalige Einschätzung, ein guter Mensch, mit verdammt viel Toleranz. Dennoch hatte er ein Problem. Abszesse. Also jene Ansammlungen von Eiter in begrenzten Geweberäumen – bei ihm im Gesicht. Das Schlimme war, man musste immer hinsehen und immer sahen die Eiteransammlungen anders aus. Manche Menschen wechseln das T-Shirt – Flaumi, dem Abszess (Dativ!). Schlimm!
Richard! Der Sage nach, war er einmal Buchhalter. Im Rahmen dieser Berufsausübung unterschlug er Geld. Und Zack! Es ging mit ihm bergab. In der Kneipe war sein Verhalten seiner Situation entsprechend angemessen. Sah man ihn aber irgendwo in der Stadt, erkannte man ein seltsames Verhalten seinerseits. Selbstgespräche führend – kein Problem! Verstörend war jedoch die Tatsache, dass er sich mit so einem Einweg-Rasierer ständig trocken rasierte. Ein Buchhalter, eben!
Wenn nicht gerade im Gefängnis, zählte auch der Meiers-Heinz zu den Gästen. Heinz war ein Hüne von Mann. Standesgemäss im Pelz- oder Ledermantel bekleidet. Begleitet (..bekleidet – begleitet …genial!) wurde er stets von seiner Freundin. Wie sie hiess, weiss ich nicht mehr. Aber figurmässig, war sein kompletter rechter Arm grösser als sie. Und er hatte einen Afghanen dabei. Also so einen Windhund mit Fell. Heinz, war ein sozialer Mensch – hatte man Schwierigkeiten, so half er. Seine Durchschlagskraft war enorm. Auch sorgte er fürsorglich dafür, dass auch im Sommer der Schnee fiel. Schnief!
Meist war Horst beim Bedienen seiner Gäste überfordert, dementsprechend stellte er die ein oder andere Bedienung ein. Oh ,Ja! An eine erinnere ich mich besonders. Petra! Petra, war die Schwester vom Schlagzeuger Franz Trojan der Spider Murphy Gang. Ich wusste bis heute nicht, dass er auch in Kulmbach geboren wurde.
Externer Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Trojan
Ich, zum damaligen Zeitpunkt, in Bezug auf das Leben heranreifend, war fasziniert von Petra. In ihrem Auftreten, ihrer freundlichen Art den Gästen gegenüber. Quatsch! Sie hatte riesengrosse „Doppelherzen“, welches die stets weisse Bluse nur spärlich bedeckten!
Ein weitere weibliche Person, welche zum Stamminventar des Burgkellers gehörte, war Mary. Mary Popp, die „Bobbn Mary“! Die Ordinärität (…gibt es diese Wort, falls Nein, hiermit erfunden…Hallo Duden) in Person. Auch sie war nicht abgeneigt, den einen oder anderen (…oder mehreren) männlichen Besucher(n) einen Gefallen zu tun. Ähnlich der eingangs erwähnten 5-Mark-Hilde. Optisch zwar ansprechender, aber OMG (…Kotz Smiley).
Die Musikbox im Lokal war ein Highlight. Musikbox? Man warf mindestens 20 Pfennige, also 0.20 DM ein und wählte einen Titel. Eine geniale, elektromechanische Konstruktion nahm sich der gewählten Single (Schallplatte 45 rpm) an und führte diese dem Tonarm mit dem montierten Tonabnehmer (Nadel, meist Diamant) zu. Die Lieder waren stets aktuell und mit zunehmender Stunde, stieg die Lautstärke. Linear zum Alkoholpegel änderte sich auch die Musikauswahl. Dies fing mit den alltäglichen Hits an und und fand ihr Ende in tief melancholischen Klängen. Beispiel? „Tränen lügen nicht“, von Michael Holm. Tränen flossen, manchmal auch Fäuste.
Wer den Film „Der Goldene Handschuh“ von Faith Akin aus dem Jahre 2019 kennt, kann sich die Situation vorstellen. Kleine Zwischenbemerkung: Für mich einer der verstörendsten Streifen, der je über die Leinwand lief. Brillante Schauspieler mit einer unglaublichen Authentizität. Ein Meisterwerk! Zurück von Hamburg, St.Pauli nach Kulmbach. Horst, war besoffen, bekam nichts mehr mit – man drehte in Eigenregie auf den den maximalen Lautstärkepegel. Und Ja, die Musikbox erwachte, zum Leidwesen der Nachbarn.
Diese sahen meist nur einen Ausweg. Man rief die Polizei! Also rückten die Uniformierten an. Ich muss in diesem Zusammenhang aber erwähnen, dass die „Stadtpolizei“ kam. Zur damaligen Zeit wurde zwischen Ordnungshütern und wirklichen Polizisten unterschieden. Die Polizisten sassen im rund 25 km entfernten Bayreuth. Wer das Zeug dazu nicht hatte (Unfähigkeit?), kam zur Stadtpolizei in den „kleineren“ Städten. Für den jeweiligen Betroffenen durchaus eine bittere Erkenntnis (…Ehefrau: Versager!), aber man durfte auch die hässliche, damals grüne Uniform, tragen und war Beamter (…Ehefrau: ich liebe dich!) Die Posten der Stadtpolizisten lag übrigens ca. 400 m vom Burgkeller entfernt.
Betraten haben sie das Lokal aber nie! Per Megafon, im relativ sicheren Auto sitzend, teilten sie mit, man möge doch bitte die Musik etwas leiser machen. Das Verhalten ist durchaus verständlich. Zu mal sie sicherlich unterrichtet waren, ob der Meiers-Heinz sich zur Zeit wieder in Freiheit befindet oder nicht. Auch zählte der ein oder andere Stadtpolizist zu den Kunden von Mary (…was soll der Kollege denken bzw. du kennst die auch?). Meist kam man der behördlichen Aufforderung nach und wählte eine mittlere, nicht störende Lautstärke. Alles gut! Gute Nacht, ihr grünen Pi..er!
Ich könnte jetzt noch weitere Charaktere aufzählen, käme aber dadurch nicht ans Ende. Die „Gäste“ hatten alle ihre Lasten zu tragen, das Leben war nicht immer gerecht zu ihnen. Klar, manchmal selbst schuld, aber oft nur selbst bedingt haftend. Und wirklich „böse“ war keiner von ihnen. Bis auf Einen! Ein wirklicher Psychopath! Irgendwann werde ich aber auch über diesen Unmenschen schreiben!
Euer Stefan
P.S.: Habe gerade gemerkt, dass ich anstelle Wald-Pilz-Sosse, Wald-Pilz-Suppe als Basis für mein Abendmahl gekauft habe. Fuck! Reduktion, läuft!