Eine grosse Kreisstadt

Wie sang schon Tom Jones:  « … das alte Haus steht noch immer, jedoch ist die Farbe rissig und trocken!»

Kulmbach im August 2018. Hochsommer. Warm, eigentlich schon zu warm! Halb Europa ächzt unter der Hitze. Aber das soll hier nicht das Thema sein. Im Vordergrund steht die Stadt, in welcher ich vor rund 53 Jahren der erste Schrei meine Lippen verliess – oder der erste Furz meinen Arsch. Hier wuchs ich auf und ging durch Himmel und durch dessen Abwesenheit. Oftmals, besonders in einem definierten Bereich im meiner Kindheit, mehr Hölle als mir lieb war. Aber immer wieder ging es weiter, nicht weil die Dinge verarbeitet worden sind, sondern man vertrat eben die Meinung, dass dies halt so sei. «Bloss nicht darüber reden», war die Maxime. Und schon gar nicht gemeinsam handeln! Das musste jeder für sich tun. Jeder hatte die verdammte Pflicht, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Eine helfende Hand? Negativ!

«Die Zeit heilt Wunden, doch vergessen kann ich nicht!», so die Böhsen Onkelz im Song «Die Besten sterben jung!» Recht haben sie! Und genau dieses Nichtvergessen holt mich bei jedem Besuch von Kulmbach ein. Aber nicht nur das Negative, im Sinne von Scheisse, sondern auch das Positive begleiten mich beim Gehen durch die Gassen. Gerade in der Altstadt kenne ich jeden Stein und jedes Gebäude. Kurz nachdenkend stehen bleiben und die Gedanken fliessen. Aber genau dieser Prozess wird in letzter Zeit immer schwieriger. Und zwar deshalb, weil Kulmbach nicht mehr so aussieht, wie früher. Klar, jede Stadt unterliegt dem Wandeln, aber es muss dann gelten, dass aus einem solchen, eine Verbesserung hervorgeht. Diese wurde aber wohl nicht angestrebt. Ständig stand ein Vergleich mit Bayreuth, der am nächstgelegenen grösseren Stadt, an. Sich auf die eigene Kraft, auf das eigene Potenzial zu berufen und zu konzentrieren, wäre die Lösung gewesen. Die rund 25’000 Kulmbacher und deren politischen Vertreter sahen dies aber nicht so.

Und so kam es, wie es nur kommen konnte. Ganze Einkaufszentren wurden geschlossen und liegen nun brach. Und das mitten in der Stadt. Fototechnisch sehr reizvoll, aber im Sinne einer ansprechenden Stadtarchitektur eher zum Erbrechen führend. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Auch die Kulmbacher Mentalität weist wenig Reserven in Sachen Veränderungen auf. Da wird in den sozialen Medien darüber diskutiert, ob man ein markantes Gebäude in der Altstadt um ein Stockwerk erhöhen darf, oder nicht! Anstatt die Einsicht zu erlangen: Hurra, ein Investor! Anzumerken sei hierzu noch, dass die Erhöhung keinerlei Einwirkungen auf die Nachbarschaft hätte, da das Haus sowieso das höchste im Umkreis ist. Oder man jammert, dass sich die Fahrtzeit in die Innenstadt wegen Strassenbauarbeiten, um gigantische zehn Minuten verlängert. Dass die Arbeiten aber, nach deren Abschluss, einer besseren Verkehrsführung und Lebensqualität der Anrainer dienen, sieht man nicht. Kurzsichtigkeit trifft Kleingeist!

Ein noch sehr aussagekräftiges Erlebnis bei meinem letzten Aufenthalt muss ich jedoch noch loswerden. Kulmbacher Bratwürste. Wer sie kennt, liebt sie! Sie gehören, wie auch das Kulmbacher Bier zu den kulinarischen Höhepunkten dieser Stadt. Daher gilt bei jedem Besuch das eherne Gesetz, dass man sich beide Produkte einverleibt. Die Würste werden in speziell dafür hergestellten Brötchen in speziell dafür konstruierten Häuschen verkauft. Dem Gesetz und meinem Magen folgend, wollte ich am frühen Morgen ein Paar Bratwürste erwerben. 2,80 sollten dafür über die Theke gehen. Ich zog eine Fünfzigernote. Zeitgleich verfinsterte sich der Blick der Bratwurstfachverkäuferin, um mir dann mitzuteilen, ich zitiere « den kann ich nicht wechseln, ich solle doch in die gegenüberliegende Bäckerei gehen, um dort zu wechseln!» Es lebe der Kunde! Ich verzichtete auf den Kauf und zog deprimiert und magenknurrend davon. Es ist durchaus verständlich, dass am Morgen die Menge des Wechselgeldes überschaubar ist, aber was hat die Dame im Häuschen davon abgehalten, nicht selbst in die Bäckerei zu gehen und den Schein zu wechseln? Das wäre ihre Leistung gewesen, nicht die des Kunden, also von mir! Klar, die Bude wäre für ein paar Minuten «unbeaufsichtigt», aber wer klaut schon Würste vom Grill? Ich nicht, obwohl? Nein! Sie hätte ja meine 50 Euro gehabt!

Gott sei Dank, konnte der letzte innerstädtische Supermarkt, dessen Schliessung auch bald ansteht, den verdammten Schein im Zuge eines Einkaufs verwerten. Ich erwarb eine Flasche «Kulmbacher» und so ein trockenes Körnerbrötchen. Dieses musste ich mit grösster Anstrengung und Konzentration mittels Edelstahlgreifarm aus einer Box fischen. Zwar der Hygiene dienend, aber mit einem körperlichen Handicap eine schier unmögliche Interaktion. Zusammen mit den beiden Artikeln sass ich anschliessend auf einer Bank – für Insider: am Entenweiher – und beschloss diesen Beitrag zu schreiben.

Ich möchte damit niemand verurteilen, schon gar nicht die Wurstverkäuferin. Aber sollte sich diese nicht einmal fragen, wer denn ihr Gehalt bezahlt? Das bin ich, dass sind wir. Die Kunden! Wenn diese Einsicht fehlt, ist der Arbeitsplatz und damit die eigene Existenz gefährdet. Die Kundenzufriedenheit muss das oberste Leitziel in einem Unternehmen sein. Nur ein zufriedener Kunde kommt und kauft wieder! Das muss in die Köpfe aller. Auch die Damen und Herren in den Führungsebenen sind gefragt. Allzu oft müssen Betriebe schliessen, weil das verantwortliche Management sein Talent ausschliesslich nur auf dem Golfplatz zur Schau trägt. Auch sollte sich diese Riege mal Gedanken über eine anständige Entlohnung machen. Was motiviert denn einen Mitarbeiter am meisten? Und jetzt bitte nicht die Antwort mit den weichen Faktoren! Ein gutes Betriebsklima bezahlt keine Miete! Ich möchte mit einem genialen Zitat von Robert Bosch (geb. 23.09.1861 / gest. 12.03.1942) schliessen

Ich zahle nicht gute Löhne, weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich gute Löhne bezahle.

In diesem Sinne … Lohnerhöhung jetzt!

Euer Stefan

P.S.: In den Genuss der Bratwürste kam ich dennoch. Schön gemütlich in einer Gaststätte und dazu natürlich ein «Kulmbacher».
P.P.S.: Lecker!

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