Ein Buddha, ein Haus und ein Fresskorb

Wettertechnisch gesehen ein traumhafter Tag. Fast schon kitschig , mit unter fast langweilig, liegt der See, umrahmt von Bergen, im blauen Licht des Himmels. Hunderte von Menschen unterwegs. Das Thermometer zeigt rund 16°, das Outfit reicht von Expeditions-Daunenjacke bis Bauchfrei-Shirt. Ich mittendrin. Der See weist sogar einen Strand auf, das Geräusch der Wellen erinnert an Meer. Klar, kein feinkörniger Strand, eher mittelgrober Kies, aber immerhin. Eine Decke, welche ein Anhaften des losen Untergrundes am Körper verhindert, Fehlanzeige. Diesen Part übernahm eine IKEA-Tüte. Die Blaue, in gross. Passt. So wird zumindest der Oberkörper geschützt. Das T-Shirt bleibt auf der Haut, so warm war es schliesslich ja auch nicht.

Augen zu. Entspannung! Kindergeräusche flogen durch die Luft und oft auch die Namen von irgendwelchen Tieren. Von der Phonetik her, tippte ich auf Hunde. Mit dieser Erkenntnis hoffte ich gleichzeitig, dass die Besitzer dieser Vierbeiner, diese an einer Leine führen. Niemand, ausser vielleicht der Besitzer selbst, will von einer klebrig, rauen Zunge aus einer tiefen Entspannungsphase geweckt werden. Ich wurde jedenfalls verschont. Ab und zu öffnete ich meine Augen, um zu prüfen, ob meine Plastiktüte noch zu meiner Rechten lag. Richtig gelesen, kein Rucksack. Den tragen ja alle! Nein, eine Tüte. Gefüllt mit einer Dose Bier, einer leichten Daunenjacke, einem Sandwich und einem Handy.

Bedingt durch dieses instinktive Verhalten, wurde ich auf eine Wolke am Himmel aufmerksam. Ganz alleine zog diese ihre Bahnen am Firmament. Wie gross mag diese Ansammlung aus Wassertröpfchen und Eiskristallen gewesen sein? Keine Ahnung! Wir sehen übrigens Wolken nur deshalb (…Ausflug zu Wikipedia), weil Licht aufgrund der Mie-Streuung gestreut wird, wodurch der Tyndall-Effekt auftritt und die eigentlich farblosen Tröpfchen sichtbar werden. John Tyndall, ein Engländer, erklärte als erster, warum der Himmel blau ist. Faszinierend! Auch gelang ihm 1861 die Erstbesteigung des 4505m hohen Weisshorns. Einem Nachbarberg des Matterhorns in den Walliser Alpen (…Ausflug Ende).

Zurück zu der Wolke. Meiner Wolke! Ich bemerkte, dass diese ihr Aussehen ständig veränderte. Mit viel Phantasie entstanden dadurch Formen und Figuren. Ein Buddha mit einem Schaf auf dem Rücken. Ein Haus mit rauchenden Schornstein, welches von einer Schlange verschlungen wird. Ein Fresskorb mit Armen, welcher versucht Eichhörnchen einzufangen. Ein wahrhaft brillantes Schauspiel am Himmel. Interessant in diesem Zusammenhang, war auch folgende Frage, die ich mir stellte. Stellen musste! Wir konnte diese Wolke noch sehen? Ein Mann in Hamburg, der den Sonntagnachmittag auf seiner 0.75m² Terrasse genoss? Die Oma in einem Pariser Vorort, die mit Hingabe, aber verbotenerweise, Tauben im Park fütterte? Die Antwort findet man definitiv in den Naturwissenschaften. Für mich jedoch entzog sich eine solche. Oder anders ausgedrückt: Ich hatte keine Ahnung! Wie so oft! Fakt ist aber, dass niemand ausser mir, den Buddha, das Haus und den Fresskorb sehen konnte, da diese Gebilde meiner Fantasie entsprungen sind. Die Wolke kann, je nach Betrachter unzählige Erscheinungsformen, annehmen. Sie bleibt aber letztendlich immer eine Wolke.

Und jetzt wandeln wir gedanklich diese in einen Menschen um. Eine Transformation ins eigene Ich. Auch wir unterliegen stetigen Veränderungen. Und ich meine hier nicht optischer Natur, da diese zu offensichtlich wären. Nein, wir zeigen stetige Veränderungen unseres Wesens auf. Eine objektive Beurteilung ist ausgeschlossen, da jeder etwas anderes sieht bzw. einer anderen Interpretation folgt. Somit kann nach meiner Auffassung festgehalten werden, dass jeder Mensch durch sein Gegenüber anders wahrgenommen wird. Jeder glaubt etwas zu sehen und ordnet dies im Rahmen seines Intellekts ein. Und das ist auch gut so. Die Subjektivität findet jedoch in der Manipulation ihre Grenzen. Beispiel Wolke. Ich höre auf dem Weg zum See den Dialog zweier Menschen: «Du, die Wolken sehen heute alle so aus wie Luftballons»! Wie reagiert mein Geist? Er würde versuchen in all den Wolken einen verdammten Luftballon zu suchen und ihn dann auch zu finden. Aber somit hätte der Buddha keine Chance gehabt und wäre ein Opfer einer Manipulation geworden. Wenn sicherlich auch unbewusst durch die beiden Menschen, aber dennoch wirkend. Es wird erkennbar, dass eine noch so kleine Äusserung verbaler Art, grosse Nachwirkungen mit sich führen können. Es kann sogar zu weit führen, dass das eigentliche Bild eines Menschen, so wie er in seinem Inneren wirklich ist, zerstört wird.

Zurück zur Wolke. Irgendwann musste ich feststellen, dass sie sich aufgelöst hatte. Klar, wissenschaftlich betrachtet, war sie in irgendeiner Form noch da, aber meine Augen gaben mir die Info: Weg! Meine Gedanken jedoch, werden sich noch lange an diese Wolke erinnern! Hätte ich sonst diese Zeilen schreiben können?

Was gilt es festzuhalten? Eine Wolke ist und wird immer eine Wolke bleiben. Ein Mensch auch. Fantasie ist wichtiger als Wissen. Manipulation tötet den freien Gedanken und ein Rucksack ist besser als eine Plastiktüte.

Euer Stefan.

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