2025

Ich bin nicht ohne Sinn, aber ich habe den Sinn nicht, den ihr habt!, so Diogenes von Sinope (um 400 – 323 v. Chr.). Ein weisser Mann!, so Ich. Weiterhin steht geschrieben, dass Diogenes als Schlafstätte u.a. ein Vorratsgefäss gedient habe, daher das geflügelte Wort «Diogenes in der Tonne».

Planungen Resturlaub 2021. Budget und Reisefreiheit begrenzt. Also in der Schweiz bleiben. Inkongruent zum Budget – bedingt kongruent zur Reisefreiheit. Auf alle Fälle wollte ich ein paar Tage in die Berge. Zwei Möglichkeiten ergaben sich. 1. Von Hütte zu Hütte ziehen oder 2. Ein Basislager und von diesem aus Tagestouren durchführen. Punkt 1 musste unweigerlich gestrichen werden, da die kahlköpfige Marionette aus Bern, in persona Alain Berset, die 3G-Regel diktaturte, ähh diktierte. Ich, leider nur gesund, hätte immer wieder ins Tal absteigen müssen, um mich testen zulassen. Also blieb Punkt 2. Als Basislager sollte ein Campingplatz dienen. Drei Fragen hierzu: Habe ich ein Wohnmobil? Habe ich einen Wohnanhänger? Habe ich ein Zelt? Dreimal Nein! Eine feste Unterkunft auf dem Platz war dementsprechend vonnöten.

Die Lösung war ein sogenanntes/sogenannter POD. Ein tonnenförmiges, fassähnliches Gebilde aus Holz. Darin ein Bett. Fertig! Sah auf den Bildern einladend aus, also buchen. Ich muss in diesem Zusammenhang zugeben, dass ich bis jetzt keine Ahnung habe, was die Abkürzung POD überhaupt bedeutet. Sucht man bei Wikipedia, findet man u.a. den Eintrag, dass POD für Porpoise Detector stehen kann, einem unbemannten Schwimmkörper zur Erforschung von Schweinswalen! Egal, vielleicht steht POD ja nur für POD. Zwei Campingplätze in der Schweiz boten diese Behausungen im gewünschten Zeitraum an. Einer im Tessin. Einer im Wallis. Der Preisvergleich ergab, dass die Destination Tessin 100% teurer war als das Pendant im Wallis. Wetteronline präsentierte in einer 14-Tagevorschau 6-Tage Sonnenschein im Wallis, genauer gesagt in Martigny! Perfekt! Martigny, je vais venir! Für die handschriftliche Packliste benötigte ich fünf Tage. Das ein oder andere noch einkaufen und los ging es. Martigny, ich werde kommen!

Tag 1. Der Campingplatz erwartete mich bei bestem Sonnenschein. Den oder das POD bezogen. Daunenschlafsack aus dem Kompressionssack und Ausrüstung einräumen. Dazu gebucht hatte ich ein Kühlfach. Ich ging dabei davon aus, dass man in meiner Tonne einen kleinen Kühlschrank deponieren würde. Leider stellte sich heraus, das Kühlfach befand sich ca. 200m weit entfernt in einem Gebäude, welches auch die Waschgelegenheiten/Duschen, die Toiletten und die Abspülmöglichkeiten beinhaltete. Zugang mittels PIN. 1834 und Enter! Hinten in der Ecke stand ein überdimensionaler Kühlschrank. Großartig! Jetzt kann jeder mein Zeugs wegfressen, so meine typisch deutschen Gedanken. Moment! Die freundliche «ichsprecheeinwenigdeutsch» Dame am Empfang gab mir doch noch einen kleinen Schlüssel mit einer Nummer mit! Also die Kühlschranktüre geöffnet und siehe da. Ähnlich wie in einem Leichenschauhaus präsentierten sich hinter der Türe einzelne, abschliessbare Fächer aus Edelstahl. Schlüssel passte und so verschwand mein Mitgebrachtes in der Tiefe des kalten Faches.

Eine anschliessende Inspektion des Raumes ergab, dass dieser einen gewissen industriellen Charme aufwies. So stellte ich mir die Waschräume/Nasszellen eines Bergwerkes zur Wirtschaftswunderzeit vor. Aber die Sauberkeit war gegeben und somit alles in Ordnung! Zurück zur Tonne und anschliessend die Stadt erkundet. Überall Kneipen mit rauchenden und weintrinkenden Westschweizern. Dazu die üblichen Geschäfte. Nichts Besonderes also, aber auch hier in der Summe in Ordnung! Um 19:00 Uhr stand das Apple-Event per Stream an.

Vorher noch duschen! 1834. Enter. Die Duschen waren ähnlich dem Konzept in Hallenbädern. Ein kleiner abschliessbarer Vorraum mit direktem Zugang zur Nasszelle (…was für ein dämliches Wort!). An der beigen (…was für eine schlimme Farbe!) war der Duschkopf montiert. Vier Zentimeter im Durchmesser – Verstellmöglichkeiten negativ! 60 Zentimeter darunter ein leicht versenkter Druckknopf mit rotem Punkt. Bange Gefühle breiteten sich in mir aus. Diese wurden noch verstärkt, als ich bemerkte, dass ich mein Handtuch im POD vergessen hatte. Wieder anziehen und 2 x 200m laufen? Nein, ich beschloss, den Prozess der Körpertrocknung mit meinem T-Shirt (Baumwolle) auszuführen. Ich betätigte den Druckknopf! Ca. zwei Minuten kaltes Wasser. Aus! Erneutes Drücken. Ca. zwei Minuten lauwarmes Wasser. Aus! Erneutes Drücken. Jetzt aber drunter! Das Wasser hatte zwar noch nicht meine Duschwohlfühltemperatur erreicht, aber ich befürchtete, dass beim 10ten Druck auf den Knopf das Wasser kochend den kleinen Duschkopf verlassen würde. Dies galt es zu verhindern. Klappte auch! Der Duschvorgang konnte mit dem erfolgreichen Abspülen der Seifenreste am Körper abgeschlossen werden. Auch das T-Shirt erfüllte seine anschliessende Arbeit. Das Apple-Event zeigte keine Überraschungen, jedoch erkannte man aus technischer Sicht, dass die Handytechnik mit dem neuen iPhone 13 Pro nun endgültig ausgereizt ist. Mit welchen Innovationen, wollen die Hersteller jetzt noch punkten? Timothy Donald «Tim» Cook verabschiedete sich aus Cupertino, Kalifornien und ich kroch in meinen Schlafsack.

Tag 2. Dauerregen!

Tag 3. Dauerregen!

Tag 4. Sonnenschein. Hurra! Endlich auf den Berg. Das Ziel, der rund 2100m hohe «Sex Carro»! Komischer Name für einen Berg, aber dafür kann ich nichts. Startpunkt auf 470m war ein kostenfreier Wanderparkplatz. Das Schild zeigte 4:30 Stunden bis zum Gipfel. 1630 Höhenmeter rauf und entsprechend wieder runter. Nach 2:50 Stunden war ich oben, nach 4:45 Stunden wieder auf dem Parkplatz. Eine sehr gute Zeit! Dazu trugen sicherlich auch meine neuen Schuhe bei. Extrem guter Grip auf nassen Waldwegen und Steinen. Vor allem talwärts konnte ich richtig Gas geben! Vor allem sind sie leicht und luftig! Klar, die Sehnen werden im Falle eines Umknickens in einem klassischen Bergstiefel besser geschützt als in einem Halbschuh. Das Umknicken kann aber mit angeeigneter Trittsicherheit und Erfahrung am Berg verhindert werden. Und egal, ob nun Stiefel oder Halbschuh, jeder Schritt muss vorher überlegt sein! Dies gilt nicht nur am Berg! Stolz auf die Leistung ging es zurück ins Camp.

Auf dem Campingplatz war ein zweites Gebäude, in welchem man duschen konnte. Zutritt ohne PIN. Optisch wie Gebäude 1, aber es waren richtige Duschgarnituren verbaut. Höhenverstell- und schwenkbar. Dazu ein «Einhebelmischer» für die Wassertemperatur bzw. den Wasserdruck! Ein Traum! Gut, zwei kleine Dinge, welche das Duschvergnügen minderten. 1. Der Winkel der Handbrause an der Garnitur war nicht mehr zu fixieren. Erhöhte man den Wasserdruck, bewegte sich die Handbrause und dementsprechend der Wasserstrahl nach oben, verblieb dann in der Horizontalen und sprühte einen mitten ins Gesicht. 2. Der Duschvorhang war 1954 bestimmt mal weiss. Heute, also 2021, ist seine Farbe ein nicht definierbares Dunkelgrau! Die Seifenrückstände aus rund 67 Jahren Nutzungsdauer trugen auch dazu bei, dass der Vorhang gefühlte 2cm dick ist. Also besser nicht einfassen! Handtuch war diesmal mit am Start. Zum Abendessen gab es Risotto alla Milanese.

Tag 5. Lange geschlafen. Zu lange! Draussen wieder Sonnenschein. Heute wollte ich die Gegend um den Grand Chavalard (2899m) erkunden. Vom POD aus, konnte ich den recht imposanten Gipfel sehen. Mit dem Auto auf rund 1350m nach Ovronnaz. Geparkt in Dorfmitte, verbotenerweise auf einen Hotelparkplatz. Egal. Zu Fuss dann Richtung Talstation des Sesselliftes «Jonasse» auf Höhe 1490. Unterwegs Massen an Menschen. Gott sei Dank habe ich nicht den Parkplatz direkt am Sessellift gewählt. Die Menschen standen bzw. liefen links und rechts der kleinen Zufahrtsstrasse. Einige sassen auf Decken am Strassenrand. Was war deren Begehren? Wollten die alle mit dem Lift nach oben? Musste man am Lift eine Nummer ziehen und anschliessend auf die Durchsage achten: Nummer 576 bitte zur Startrampe! Aber ich sah keine Lautsprecher! Egal. Ich lief als Einziger weiter und niemand rief: «Hey, nicht vordrängeln»! Sinngemäss natürlich in französisch. Kurz vor der Talstation dann die Lösung. Da standen acht geschmückte Kühe und warteten darauf in ihre Ställe oder in den örtlichen Schlachthof getrieben zu werden. Dies unter dem Beifall und dem Johlen von geschätzten 2389 Menschen. Na ja. Jedem das Seine! Ich rein in den Sessellift und rauf auf 1940m.

Entspannt oben kurz nach Mittag angekommen. Schautafeln wiesen auf zig Touren hin auf zig Touren hin. Für mich interessant war die sechsstündige «Tour du Grand Chavalard». Hmmm! Sechs Stunden reine Gehzeit? Gut, das wäre wohl auch in vier bis fünf Stunden machbar gewesen. Aber mit Pausen und Fotos waren die sechs Stunden durchaus realistisch. Ausserdem wollte ich nicht wie am Vortag durch die Prärie hetzen. Die letzte Bahn ins Tal würde um 17:00 Uhr fahren. Das ging nicht auf, ausserdem löste ich ein One-Way-Ticket. Also egal wie oder was, ich musste zeitlich den Talabstieg mit einkalkulieren. Ich tat was man in dieser Stelle immer tun musste. Einfach mal loslaufen! Der Weg verlief am Anfang relativ eben. Kaum Steigungen. Sehr schön! Der Himmel nicht vollflächig kitschig blau, sondern durch weisse, dicke Wolken unterbrochen. Zogen die Wolken weiter, zeigte sich ein weiterer Berggipfel, bevor die nächste Wolke ihn wieder verdeckte. Der Weg führte durch einen Talkessel hinauf zum «Col de Fenestral» auf 2460m. Nicht besonders steil und technisch einfach, aber die Höhenmeter vom Vortag stecken in meinen Beinen. Ausserdem hatte ich Probleme mit der Atmung. Dies lag aber nicht an der Höhe, sondern eher an der exzessiven Nutzung einer Dame namens «Mary Long»! Ja, ich rauche seit einem Jahr wieder, höre aber wieder auf! Ich erreichte die Passhöhe und sofort wurde mir klar, warum man all die Strapazen auf sich nimmt. Vor mir eröffnete sich der Blick in Richtung der Mont-Blanc-Gruppe. Sogar der «Weisse Berg» selbst war erkennbar. Mit seinen 4810 Metern Höhe ist er der höchste Berg der Alpen und der EU. Ob dieser oder der Elbrus im russischen Kaukasus der höchste Berg Europas ist, hängt von der Definition der innereurasischen Grenze ab (Quelle: Wikipedia). Ständig wechselte das Wolkenbild vor dem Massiv. Es wirkte, wie ein Film – perfekt inszeniert. Drehbuch und Regie: Mutter Natur!

Ich blieb noch lange am Pass. Zeitlich wurde es nun eng! Die Beine taten weh und rein rechnerisch lagen noch ca. vier Stunden Weg vor mir, plus Talabstieg! Entscheidung: Abbruch und retour! Dem Mont Blanc im Kopf stieg ich erleichtert der Bergstation entgegen. Kurz vor dieser zweigte der Talweg nach Ovronnaz ab. Zwei Möglichkeiten boten sich an. Entweder Fahrweg oder Wanderweg? Ich nahm den Wanderweg, welcher sich schon nach kurzer Zeit als Skipiste herausstellte. Ich bin kein Spurenleser, aber vor mir, sind bestimmt mindestens 500 Kühe diesen Weg ebenfalls gegangen. Nicht sehr schön. Ausserdem hatte ich meine neuen Schuhe an! Seltsamerweise zählte ich im Tal nur acht Kühe, wo waren also die restlichen 492 Kühe? Nach einer guten Stunde kam ich im Ort an. Trank, sitzend auf einer Bank, mein Wasser leer und rauchte eine Zigarette! Im Kopf noch immer den Mont Blanc startete ich mein Auto und fuhr los.

Tag 6. Der Letzte! Es regnet! Es regnet beim Einladen, es regnet während der ganzen Fahrt und es regnet bei meiner Ankunft. Im Herzen trage ich jedoch Sonnenschein in Verbindung mit einem neuen Lebensziel. Hört sich vielleicht pathetisch an, ist mir aber egal. Ich beschloss, irgendwann in diesem, meinem Leben auf dem Gipfel des Mont Blanc zu stehen!

Euer Stefan

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